Chakra und Gesangsstunden: Probewochenende kreativ
Symphonisches Jugendblasorchester Untermain probt in der Musikakademie Hammelburg
Tschaikowskys Ouvertüre „1812“ – ein Meisterwerk der klassischen Musik voll Pathos und Erhabenheit. Und eines der Werke, das die 50 Musikerinnen und Musiker des Symphonischen Jugendblasorchesters Untermain auf ihrem Probewochenende in Hammelburg Anfang März intensiv übten. Das Stück – eigentlich für klassisches Orchester geschrieben – stellt Bläser vor große Herausforderungen. Wer die Version hörte, welche die Musiker am Freitagabend lieferten, und die Version vom Sonntag, der musste zwangsläufig denken, zwei verschiedene Orchester hätten die Ouvertüre gespielt.
„Erstaunlich, wie sehr sich der Sonntag musikalisch vom Freitag unterschieden hat“, sagt Dirigent Michael Köhler. „Wir sind musikalisch ein gutes Stück vorangekommen.“ Die Leistungssteigerung kam nicht von ungefähr. Zwei Tage konzentrierten Trainings an der bayerischen Musikakademie in Hammelburg machten dies möglich. Die Musiker meisterten drei Tuttiproben sowie individuelle Satzproben mit hochrangigen Dozenten. Und das alles in weniger als 48 Stunden. „In den Satzproben am Samstag wurden Grundsatzfragen des Instruments geklärt“, erklärt der Dirigent. „Dadurch verbesserte sich die Qualität.“
Dieser Meinung ist auch Bernhard Kopp, Satzführer der Klarinetten: „Die Arbeit hat sich gelohnt. Freitag war eher bescheiden, Sonntag dagegen ein Traum.“ Die Klarinettisten arbeiteten in ihrer Satzprobe vor allem an Tschaikowskys Ouvertüre. Dozent Waldemar Stockert aus Miltenberg übte mit ihnen in einer entspannten, aber hochkonzentrierten Atmosphäre. Großen Wert legte der Dozent auf das Rezitativ von „1812“, das die Klarinettisten mehrstimmig sangen. Außerdem ging es darum, sich im Takt der Musik zu bewegen, was besonders bei Strauss' „Kaiserwalzer“ großen Spaß machte. „Es wäre perfekt, wenn wir die gelernten Sachen auf die zukünftigen Proben übertragen könnten“, wünscht sich Bernhard. Einziger Wermutstropfen: Viele Klarinettisten fielen krankheitsbedingt aus.
„Die Stimmung war super“
Ein anderes Problem hatten die Waldhörner. Ihre Dozentin Isabel Schmitt, die an der Würzburger Hochschule für Musik unterrichtet, stand zwar pünktlich vor der Musikakademie – allerdings in Weikersheim. Ihr Irrtum ist verständlich, da das Verbandsorchester bislang vor allem dort geprobt hatte. Schmitt hatte bereits zweimal mit den Waldhörnern geübt. Trotz Startschwierigkeiten sagt Satzführer Stefan Braunwarth: „Die Stimmung war super.“ Die Hornisten beschäftigten sich vor allem mit dem neu ausgeteilten Stück „Spartacus“. Schmitt richtete den Fokus auf Intonation und Interpretation des symphonischen Gedichts. „Die Klangbalancearbeiten waren viel wert“, so Stefan. Und es wurde gesungen: Nicht nur die Dozentin, auch ihre Schüler sangen Rhythmus und Töne.
„Spartacus“ stand bei den Saxophonen ebenfalls auf dem Programm. Zusätzlich zum regulären Programm probten die vier Frauen auch Quartett-Stücke wie „Pink Panther“ und die „Celtic Suite“ mit Dozent Michiel Oldenkamp. Der kam wegen eines Staus auf der Autobahn etwas später, die Saxophonistinnen starteten aber einfach schon mal ohne ihn. „Michiel war lustig und kompetent“, sagt Altsaxophonistin Carmen Klein, „Er hat uns gelobt: Obwohl wir alle zuerst ein anderes Instrument gelernt hatten, wären wir alle sehr gut.“ Hin und wieder habe der Dozent sie aber doch als Klarinettistinnen ertappt.
Ungewöhnlich tiefgründige Methoden probierten die Posaunen. Ihr Dozent Wolfgang Heinrich – seines Zeichens studierter Posaunist und Dirigent – feilte vor allem daran, mit dem Luftstrom Töne und Phrasen zu verbinden oder Staccato zu spielen. „Das war eine ganz andere Art von Satzprobe“, sagt Satzführer Wolfgang Köhler. „Wir haben den Rhythmus mit unserem Herz geklopft, unser Chakra eingebaut.“ Die Posaunisten sollten außerdem Lebenserfahrungen auf die Musik projizieren. „Es war ein ganzheitliches Konzept“, erzählt Wolfgang begeistert.
Das tiefe Blech trainierte mit Klaus Setzer, der selbst im Orchester mitspielt. Der studierte Musiker ließ die Tubisten mit Klangbrücken experimentieren. Das sind Metallteile, die an die Verbindung zwischen Mundstück und Rohr montiert werden und die einen stabileren Klang erzeugen. Die Gruppe hörte sich zudem Aufnahmen der Stücke an und übte intensiv an schwierigen Passagen. Davon hat vor allem „Spartacus“ viele zu bieten, meint Tubist Martin Aulbach. Die Tenorhörner und Baritone des Orchesters probten ebenfalls mit einem alten Bekannten: mit Dirigent Michael Köhler. „Es war einfach schön“, fasst Satzführer Jonathan Schnabel das Intensivtraining zusammen. Der Dirigent spielte hin und wieder selbst auf seinem Horn mit. „Das hat uns vorwärts gebracht.“
Freizeitmeile Felsenkeller
Es wurde aber nicht nur eisern geübt. Abends verwandelte sich der urige Felsenkeller der Musikakademie in eine Freizeitmeile. Bei den Musikern waren vor allem Kartenspiele und der Tischkicker beliebt. „Wir hatten viel Spaß, die Gemeinschaft wuchs zusammen“, meint Dirigent Michael Köhler. Aber Hammelburg hatte auch Nachteile. Etwa die kleinen Einzelräume für Satzproben. Dies ist sicher dem Umstand geschuldet, die Musikakademie wird umgebaut, erweitert und umfassend saniert. Das Essen wird vorübergehend im Felsenkeller serviert. In Weikersheim wurde die Kaffeepause selbst organisiert. „Hier in Hammelburg gab es am Samstag leckeren Kuchen“, räumt Orchestermanager Christoph Bernard ein. „Im Felsenkeller konnten wir eigene Leckereien und Snacks mitbringen, die Zimmer meist Doppelzimmer, hell und geräumig. Das komplette Schlagwerk mit Drumset, Pauken, Congas, Bongos, Konzerttrommel, Marimba und Xylophon stand kostenlos zur Verfügung. Der Hausmeister und Frau Reus an der Rezeption waren sehr bemüht unseren Aufenthalt in der Musikakademie angenehm zu gestalten. Der Termin für 2019 ist in trockenen Tüchern und für 2020 läuft die Reservierung“.
Ist eine Einzelstunde Fluch oder Segen? Mit dieser Frage war Oboistin Carina Grimm konfrontiert. Sie probte am Samstag alleine mit Dozent Peter Herteux, einem studierten Fagottisten. Die beiden Fagottisten des Orchesters hatten für dieses Wochenende leider andere Verpflichtungen. „Es ist alles super gelaufen“, kommentiert Carina, die den Dozenten bereits aus dem Vorjahr kannte. Besonders ansatzintensiv für die einzige Oboistin des Orchesters: das klanggewaltige Werk „Highlights from Exodus“. Ansonsten ging es vor allem um Atemübungen und Rhythmus. Aus schwierigen Passagen bildeten Lehrer und Schülerin Variationen, die Carina zum Beispiel doppelt so schnell spielte.
Nicht viel mehr Leute waren die Percussionisten bei ihrer Satzprobe. Jonas Schlegel und Sebastian Ort trainierten mit Martin Scheffel. Gleich zu Beginn ging es darum, wie möglichst viele Stimmen mit nur zwei Leuten besetzt werden können, denn der Schlagwerksatz ist im Orchester chronisch unterbesetzt. Die beiden Schlagzeuger übten dann vor allem mit dem Glockenspiel, Vibraphon und Xylophon. „Da sind wir beide nicht so fit“, ergänzt Sebastian. Er und Jonas kannten den Dozenten schon vom letzten Probewochenende. „Er war offen und ehrlich“, meint Ort. Besonders viel Spaß bereitet den Schlagzeugern „Spartacus“: „Am Anfang gibt’s eine laute Stelle mit Pauken und großer Trommel.“
Gast aus den Niederlanden
Vom lautesten Satz zum zartesten: Der Dozent der Querflöten hatte wohl den weitesten Anreiseweg. Robert Pot kommt extra aus den Niederlanden. „Er ist sehr sympathisch und hat uns viel beigebracht“, erzählt die Satzführerin der Querflöten, Monika Leiblein. In guter Stimmung arbeiteten die Frauen gemeinsam mit Pot alle Stücke durch. Dem Lehrer ging es darum, den Ton zu verbessern, etwa durch Anpassung des Anblaswinkels.
Der Dozent der Trompeten war den Musikern bereits gut bekannt. Klaus Englert ist Dozent an der Würzburger Musikhochschule und hatte schon mehrfach mit dem Orchester geprobt. „Wir kommen gut mit ihm aus“, sagt Sebastian Paulus, der im Orchester die erste Trompete spielt. „Englert dirigiert auch einen Musikverein, deswegen konnte er das auf uns Laienmusiker herunterbrechen.“ Am Samstag feilten sie an Atem- und Artikulationsübungen. Sehr schwere Passagen hält das neue Werk „Spartacus“ für die Blechbläser bereit. Viel Spaß macht den Trompeten „Children of Sanchez“, bei dem sie rhythmische Einwürfe zu spielen haben. „Eine Abwechslung zum Symphonischen“, meint Sebastian.
Nach diesem Intensivtraining ist das „Symphonische Jugendblasorchester Untermain“ gut gerüstet für die Herausforderungen des laufenden Jahres. Darunter der Geburtstag von Präsident Berthold Rüth Ende März, Schöntalkonzert Aschaffenburg sowie das Rotarykonzert im Herbst in der Erlenbacher Frankenhalle. Auch eine Konzertreise nach Straßburg befindet sich in Planung. Wer selbst Interesse hat, sich musikalisch weiter zu entwickeln und anspruchsvolle Arrangements kennen zu lernen, ist jederzeit herzlich im Verbandsorchester willkommen. Voraussetzung dafür ist D2-Niveau. Es besteht aber auch die Möglichkeit, im Verbandsjugendorchester unter der Leitung von Norbert Langeheine mitzuwirken. Dies ist bereits nach Bestehen der D1-Prüfung möglich.
Julie Hofmann
Autor:Christoph Bernard aus Elsenfeld |
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