Irmgard Knef, 26.10.2024, Osterburken
Irmgard Knef – Was, wenn´s keine rote Rosen regnet?
Ulrich Michael Heissig mit unterhaltsamer Hommage an Hildegard Knef und das Leben im Alter
Wo die Knef ist, da ist die weite Welt, die große Showbühne. Man kennt sie als Schauspielerin und Sängerin auch am Broadway und sie ist über Jahrzehnte das Sinnbild für die deutsche Diva schlechthin. Was aber, wenn auf der Bühne der Baulandhalle in Osterburken nicht der erfolgreiche Star Hildegard Knef steht, sondern deren vergessene, unbekannte und doch nicht minder begabte Zwillingsschwester Irmgard? In seinem Programm „Heute Abend: Irmgard Knef“ stellt Ulrich Michael Heissig dem Publikum der Kulturkommode genau diese fiktive Person vor. Der Schauspieler, Regisseur und Autor schlüpft dabei so brillant und konsequent in die Rolle dieser mittlerweile 98-jährigen Dame, dass über den Abend hinaus so mancher Zuschauer der Täuschung erlag, tatsächlich eine zwar etwas gebrechliche aber mit typischer Knef-Gesangsstimme, viel Herz und Berliner Schnauze ausgestattete weibliche Darstellerin erlebt zu haben. Für Heissig ist diese Illusion keine Form der Travestie - die spiele noch wesentlich mehr mit optischen Übertreibungen. Auch wenn natürlich mit entsprechender Garderobe, etwas Schminke und einer blonden Perücke nachgeholfen wird, ist es vor allem Heissigs schauspielerischem Vermögen, seiner Musikalität und dem parodistischen Talent zu verdanken, dass diese Reminiszenz an das Leben von Hildegard Knef so wunderbar funktioniert.
Nicht er habe danach gesucht, irgendwann habe die Figur der Irmgard ihn gefunden, erinnert sich der heute ebenfalls in Berlin lebende vielseitige Künstler. So wurde vor etwa 25 Jahren die Idee geboren, vor allem das musikalische Werk der Knef durch die Augen eines erdachten Zwillings zu würdigen, der zeitlebens darunter leidet, nicht so erfolgreich wie die Schwester geworden zu sein und sich schließlich aber im Seniorenalter noch zutraut, eine Show-Karriere zu starten. Gleichzeitig öffnet Heissig mit diesem Plot auf humorvolle Art den Blick auf die mühsamen aber auch schönen Momente im Leben einer betagten und deswegen lebenserfahrenen und weisen Frau.
Obgleich Hildegard Knef es immer mit äußerster Skepsis betrachtete, wenn andere ihre Musik verarbeiteten, fand sie so viel Gefallen an der Idee dieser Revue, dass sie noch zu Lebzeiten mit „Meinen Segen hat er“ ihre Zustimmung zu deren Aufführung gab, was durchaus als ein Ritterschlag zu verstehen war. Und so spielt Ulrich Michael Heissig seither in verschiedenen Programmen die unbekannte Knef-Schwester, die zu Anfang mit bedrückenden, familiären Verhältnissen und als Trümmerfrau natürlich das gleiche Leben führte, danach jedoch nie so im Scheinwerferlicht und offensichtlich öfter vor dem Nichts stand als die berühmte Hildegard. Doch als unverbesserliche Optimistin gilt für Irmgard: man holt sich Schrammen, fällt und steht aber auch wieder auf. Deswegen will sie mit über 90 Jahren auch nochmal durchstarten und sucht das Glück auf den Bühnen des Landes, bei dessen Publikum ihre Schwester bis zuletzt gleichermaßen verehrt wie umstritten war.
Musikalisch bedient sich Ulrich Michael Heissig zum Großteil aus dem reichhaltigen Repertoire der verschiedenen Jahrzehnte des Knefschen Wirkens. Schlageresque Chansons sind genauso darunter wie Swing-Standards und Broadway Hits bekannter Komponisten, deren deutsche Texte die Knef zum Teil selbst verfasst hatte. Heissig, selbst ein begnadeter Sprachakrobat, verändert deren Inhalte für seine Bühnenshow, um sie aus Irmgards Sicht aktuell werden zu lassen. So wird aus Cole Porters Samba „I got a kick out of you“ ein selbstbewusstes „So bin ich, so war auch sie“ oder aus „The Lady is a Tramp“ ein eher resigniertes „Ich glaube, Weltstar werd` ich nie“. Zu deren Begeisterung wurde den Zuhörern auch ein kurz zuvor getexteter Osterburken-Blues präsentiert.
Dazwischen erzählte und sang Irmgard höchst amüsant aus ihrem Leben in Kreuzberg zwischen Ellis Bier-Bar, Hinterhof-Romanzen und dem wöchentlichen Gedächtnistraining im Seniorenzentrum. Absolut berührend wurde es bei der Interpretation des bekanntesten Knef-Liedes. Konsequenterweise beginnt es bei Irmgard nicht bei 16 sondern bei 70 Jahren und mündet in der Hoffnung, es möge bei ihren Auftritten nicht gelbe Nelken sondern zum guten Ende tatsächlich rote Rosen regnen. Den stürmischen Beifall quittierte sie lakonisch mit: „Sie klatschen nach dem Motto: Jede Zugabe könnte ihre letzte sein!“ Ulrich Michael Heissig ist mit seinem Programm etwas ganz Besonderes gelungen: das musikalische Werk eines der wenigen deutschen Weltstars wieder in Erinnerung zu rufen, von dem zu Unrecht viel zu wenig im kollektiven Gedächtnis hängen geblieben ist und gleichzeitig mit einer unterhaltsamen wie einfühlsamen Hommage das Leben zu feiern, das sich nur dann zum Positiven entwickelt, wenn man die richtige Einstellung zu jeder Lebensphase findet.
Autor:Michael Pohl aus Osterburken |
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