Zahnklinik in Nepal
Kleinheubacher Zahnarzt schuf in Nepal eine kleine Zahnklinik
Projekt nach 10 Jahren nun zu einem erfolgreichen Ende gebracht.
Seit 2013 war der Zahnarzt i.R., German Rotary Volunteer Doctors und Miltenberger Rotarier John Adderson, mittels vieler oft privat finanzierter Reisen in Nepal ehrenamtlich tätig. In seinen letzten 5 Jahren dort hat er in der sehr bergigen Region Sanghutar, 160 km und über 6 Stunden Fahrt mit dem Geländewagen, östlich von der Hauptstadt Kathmandu entfernt den Bau eines Bungalows mit Zahnarztpraxis realisiert. Mehrfach wurde an dieser Stelle und auch in der ausländischen Presse ausführlich berichtet, auch von großen Strapazen, abenteuerlichen Erfahrungen aber auch von der Dankbarkeit der Menschen und der tiefen Befriedigung die mit dem erfolgreichen Abschluss des Projekts verbunden ist.
Warum ein Projekt in Nepal und dann noch in der Provinz?
Die absolute Mehrheit der Zahnarztpraxen in Nepal befindet sich in Kathmandu und anderen Städten, denn nur hier gibt es genügend Menschen die finanziell in der Lage sind eine Zahnbehandlung selbst zu zahlen um somit eine Praxis wirtschaftlich zu führen und den Zahnarzt und seine Familie zu ernähren. Auf dem Land sieht es ganz anders aus, hier leben weit über 80% der Nepalesen und das sprichwörtlich von der Hand in den Mund. Sie sind bitterarm und eine Zahnbehandlung gab es noch nie im Haushaltsbudget. Trotz riesigem Behandlungsbedarf kann sich auf dem Land keine Praxis tragen. Traditionell wird nur bei sehr großen Schmerzen Hilfe gesucht und der Zahn für eine geringe Gebühr gezogen. Untersuchungen wie bei uns sind unbekannt und nach Zahnfüllungen fragt niemand. Zähne faulen einfach so vor sich hin. Ein Abszess, der bei uns eine dicke Backe verursachen würde und daraus resultierend eine lebensbedrohliche Blutvergiftung, gibt es seltsamerweise in Nepal nicht. Warum dann Geld bei einem Zahnarzt lassen wo es doch für Anderes viel dringender benötig wird.
Bevor die Praxis geplant wurde, hat Adderson vier andere weit verstreute liegende Praxen in ländlichen Gebieten besucht. Keine machte einen Gewinn. Die Einnahmen deckten nicht einmal das Gehalt der Zahnärztinnen. Die Praxen bestanden aus einem einzigen Raum mit einem chinesischen oder indischen Behandlungsstuhl. Die sahen aus wie die bei uns, waren technisch sehr einfach aber ließen auf den ersten Blick das Bild einer Zahnarztpraxis erkennen. Alle Möbel und Geräte befanden sich eng gedrängt in einem einzigen nicht gefliesten Raum. Schränke waren vom lokalen Schreiner hergestellt, alle Flächen aus Holz und nicht zu desinfizieren. Der Kompressor, wenn er lief, war nicht leise. Der Sterilisator bestand aus einem überdimensionalen pfeifenden Dampfkochtopf, sah sehr altmodisch aus, aber erfüllte seinen Zeck vollkommen. In den Praxen mangelte es nicht an Extraktionszangen, aber sonst fast an Allem. Neue Diamant- und Stahlbohrer gab es selten, die vorhandenen schienen aus der Zeit von Julius Caesar zu stammen. Hygiene war ein riesiges Problem, wie überall in Nepal. Zur Händedesinfektion gab es nur Spiritus. Es gab keine Desinfektionsmittel für Flächen, Instrumente oder rotierende Instrumente, aber es gab einen Mundschutz, Latex Handschuhe und eine Kopfhaube.
Mit diesem Hintergrund ist es das Ziel des Projekts aufzuzeigen wie sich eine moderne Zahnarztpraxis auf dem Land wirtschaftlich tragen kann. Zu diesem Zweck wurde ein kleiner Bungalow auf dem Gelände der Schule mit ca. 600 Schülern in Sanghutar gebaut und eigerichtet. Eingestellt wurden eine Zahnärztin und eine Dentalhygienikerin.
Da Nepalesen wenig bis nichts über Mundhygiene wissen, war es das Ziel mit den Jüngsten der Gesellschaft, den Schülern, zu beginnen, theoretisch und praktisch. Über die Schüler sollten auch die Eltern erreicht werden. Das Team unterrichtet Mundhygiene in den Klassen und versiegelt Zähne in der Praxis, beides kostenlos. Mit dem Einsatz von zwei deutschen Zahnärzten die ehrenamtlich für einige Wochen im Jahr nach Sanghutar kommen, konnten noch zwei weitere Schulen in der Umgebung besucht werden um Schüler kostenlos fortzubilden, zu untersuchen und in der Praxis zu behandeln. Den weiten Weg von 1 bis 3 Stunden nach Sanghutar müssen die Schüler zu Fuß gehen.
Für Zahnfüllungen und andere Leistungen muss bezahlt werden. Die Praxis nimmt von Schülern und Erwachsenen weniger als den halben Satz der in Kathmandu genommen wird. Trotzdem gibt es keinen Ansturm, die eingefahrenen Verhaltensweisen bleiben bestehen. Eine Behandlung ist leider für Viele immer noch nicht erschwinglich.
Was in Nepal sehr positiv auffällt ist die Höflichkeit. Unter den Mitarbeitern gibt es keine Standesdünkel, alle Mitarbeiter sprechen sich mit Vornamen an, Ärzte und selbst Professoren, die aber nur mit Doktortitel. Von der Herzlichkeit und Gastfreundschaft, die einem im Land überall begegnet, könnten wir Westler uns im Übrigen eine große Scheibe abschneiden.
Die Realisierung des Projekts bereitete die größten Schwierigkeiten. Man muss sich ganz schnell abgewöhnen, hier überall deutsche bzw. westliche Maßstäbe anzulegen, das Gegebene akzeptieren und das Mögliche einfach machen. Die Bauplanung war enorm erfrischend, keine Baugenehmigung und keine Statik waren hier nötig. Man benötigte nur einen Bauplatz, Bauplan, Baumaterial und Handwerker. Die letzteren gab es nicht, außer einem Maurer, der leider den Bauplan nicht lesen konnte, genauso wie der Amateur-Elektriker, der auch die Wasserinstallation machte. Eigentlich verständlich, da man hier auf dem Land nur Lampen aber kein Wasser in den Häusern installierte. Außerhalb der Häuser gab es ein Toilettenhäuschen und eine offene Wasserstelle zum reinigen von Körper, Wäsche und Geschirr. Duschen gab es nicht. Mit dem Bau der Praxis und später dem Gästehaus wurden in Sanghutar neue Maßstäbe gesetzt, im Gästehaus Zimmer mit Duschen und Fiesen für Boden und Wände. Die meisten Materialien wie Ziegel, Fliesen, Aluminium Fenster und Türen, Badezimmerkeramik, Abflussrohre etc. wurden vom Rotary Club Banepa in Kathmandu besorgt, während ein Dorf-Komitee zuständig war für die Bauausführung. Man bedenke, dass die Bauern in den umliegenden Tälern und an den steilen Hängen der umliegenden Berge bis vor Kurzem in ihren aus Naturstein und Lehm selbstgebauten Häusern nicht nur keinen Strom oder Wasser hatten. Sie hatten auch keinen Herd. Auf einem offenen Feuer mitten in der Essküche, auf dem Lehmboden wurde gekocht. Man sitzt heute noch auf Strohmatten im Schneidersitz auf dem Boden. Tische oder Stühle gibt es nicht. Zu essen gibt es täglich morgens und abends Dal Baht, das Nationalgericht aus Reis und Linsen mit wenig Gemüse und selten Hühnerfleisch, selten auch gebratenen Reis, Nudeln oder Momos – Nepalesische Maultaschen. Geschirr ist aus unverwüstlichem Edelstahl, gegessen wird mit den Fingern. Für den Gast liegt auch ein Löffel bereit. Zum Trinken gibt es abgekochtes heißes Wasser. Tee, der in Nepal auch wächst, ist den Bauern zu teuer.
Apropos Ausstattung der Praxis: Von Spenden aus Deutschland wurden nur technisch einfache Dinge wie Extraktionszangen, Handinstrumente und Materialien für die Füllungstherapie per Container rüber geschafft. Für technisch kompliziertes, elektronisches Gerät aus Deutschland gibt es in Nepal keine Techniker und keine Ersatzteile. Unschlagbar preisgünstige neue Behandlungsstühle, Kompressoren und Sterilisatoren kommen aus Indien, sie sind ausreichend, zwar einfach aber leicht zu warten und Ersatzteile sind schnell lieferbar. Da im Falle eines Defekts an einem der unverzichtbaren Geräte der Techniker aus Kathmandu etwas über 6 Stunden Anfahrtszeit hat und die Praxis in dieser Zeit nicht arbeiten kann, sind alle technischen Geräte doppelt vorhanden, Behandlungsstuhl, Kompressor etc. Die sehr teuren Composit Füllungsmaterialien, Schleifdiamanten, Stahlbohrer, Feilen und andere in Nepal schwer erhältliche Hilfsmittel bei der Behandlung, kommen als Sachspenden aus Deutschland und können – da leicht im Gewicht - im Gepäck nach Nepal zollfrei eingeführt werden. Das spart riesige Kosten und macht die kostenlose Behandlung der Schüler bei der Fissuren Versiegelung, und die geringen Gebühren für Erwachsenen erst möglich.
Zuletzt sei noch etwas zum Entwicklungsstand Nepals bemerken. Er ist geprägt durch eine Existenzangst, wie auch bei uns nach dem zweiten Weltkrieg. Menschen sind angetrieben durch die Not die sie umgibt. Keine Arbeit ist ihnen zu schade um zu überleben. Junge Männer haben 3 Möglichkeiten: Auf dem Land mit der Hacke lebenslang auf den schmalen Terrassenfeldern zu arbeiten, oder in der Stadt jeden Job anzunehmen um zu überleben - meistens nur für ein Bett, zwei Mahlzeiten am Tag und gerade genug Lohn um sich zu kleiden, so zu sehen in den vielen Touristenhotels. Drittens im Ausland unter sehr schlechten Bedingungen einfache schlecht bezahlte Arbeiten zu machen, wie es fast jeder zweite Mann in Sanghutar macht. Die Bauern in Sanghutar haben keine Autos, gelegentlich ein Motorrad, zwei Traktoren im Ort dienen dem Transport von Baumaterial. Sie haben keine Badezimmer, Waschmaschinen, Kühlschränke oder sonstige elektrische Geräte. Der Wasseranschluss ist außerhalb des Hauses, ebenso das Toilettenhäuschen. Müll verbrennt jeder vor seiner Haustür, zu erkennen and den vielen kleinen qualmenden Häufchen. Der Zustand ist ähnlich dem in Kleinheubach vor 70 Jahren, den eine fast 90- jährige Nachbarin neulich zu beschreiben wusste.
Man sollte die unzufriedenen jungen Deutschen diese Armut betrachten lassen, denn sie leben in Luxus, ohne es zu erkennen. Ein Urlaub in Nepal wäre lehrreich, ein Urlaub in einem der zahlreichen Urlaubshotels in der Welt lässt das armselige Leben so vieler Menschen auf unserem Globus nicht erkennen. Es gibt viele Länder in denen die Lebensbedingungen noch schlimmer sind als in Nepal, ganz zu schweigen von den vielen Millionen Flüchtlingen auf der Welt. In ihrer Lebenszeit ein Auto zu besitzen ist für diese benachteiligten Menschen unvorstellbar, bei uns mit 18 Jahren scheinbar unverzichtbar.
John Adderson
Autor:Rotary Club Miltenberg aus Amorbach |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.