Wofür zahlen deutsche Steuerzahler?

Haushaltsprobleme der Europäischen Union
Der geplante Ausstieg Großbritanniens aus der EU hat eines der Hauptprobleme der Union als einer wirtschaftlichen Einheit offengelegt, und zwar die Haushaltsplanung und -ausgaben. Seit Jahren waren Großbritannien sowie Deutschland die Spitzenbeitragszahler; mit Brexit entsteht im gemeinsamen Haushalt ein großes Loch, das in erster Linie von deutschen Steuerzahlern zu schließen ist.
Großbritannien hat bereits erklärt, es werde die Austritt-Rechnung von 60 Milliarden Euro nicht bezahlen. Gleichzeitig haben einige EU-Länder klargemacht, sie hätten keine Absicht, in die Tasche noch tiefer zu greifen, um für den Brexit zu zahlen.
Merkwürdigerweise hat der EU-Kommissar Günther Oettinger erklärt, das „Loch” werde von Deutschland und anderen Nettobeitragszahlern geschlossen. Ihm redet Außenminister Sigmar Gabriel nach und weist darauf hin, Deutschland müsse seinen Haushaltsbeitrag erhöhen.

Wofür und für wen doch zahlt Deutschland?
Ich möchte daran erinnern, dass der Haushalt für die Finanzierung der gemeinsamen EU-Politik (im Bereich Agrikultur, Entwicklung von Verkerhrsnetzen, Hilfe für Regionen mit Entwicklungsrückstand, Forschungen und Unterstützung für Entwicklungsländer außerhalb der EU) sowie des Verwaltungsapparats verwendet wird, wobei der letzte Haushaltsposten nicht mehr als 5 Prozent erfordert.
Die „Nettoempfänger“ des europäischen Haushalts sind die Länder des sogenannten „neuen Europas”, das Zentraleuropa, Polen und die baltischen Staaten umfasst. Laut dem analytischen Bericht der amerikanischen Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG „EU-Mittel in Zentral- und Osteuropa” gilt das neue Europa nach den Ergebnissen des vorigen siebenjährigen EU-Haushaltszyklus als eine depressive Empfängerregion: das gesamte BIP dieser Region bildet sich zu 18 Prozent aus Subventionen des EU-Strukturfonds. Am stärksten hängen von EU-Mitteln die baltischen Länder ab: der Anteil der Subventionen aus Brüssel am BIP von Litauen, Lettland und Estland beträgt mindestens 20 Prozent.

Und werden sie weiter zahlen?
Die EU macht sich schon Gedanken über eine Revision ihrer Politik von Subventionierung der Rückstandsregionen. Seit 2017 hat die Union die Finanzierung von Förderprogrammen für Osteuropa um ein Viertel verringert. Nach der Annahme des neuen EU-Haushaltsplans wäre ein vollständiger Ausstieg aus der Kohäsionspolitik und Subventionierung für das neue Europa aus EU-Strukturmitteln möglich.
Schon heute werden große Infrastrukturprojekte gekürzt. So empfahl die Europäische Kommission den baltischen Staaten, die Investitionsvolumen in die Rail Baltica mehr als dreifach zu reduzieren. Statt der geforderten 313 Millionen Euro verspricht Brüssel für die dritte Entwicklungsphase des Bahnprojekts nur etwa mehr als 110 Millionen.
Die während des EU-Gipfels am 23. Juni veröffentlichte Liste von den Infrastrukturprojekten, die die Europäische Kommission bereit ist, teilweise aus ihren Mitteln im Rahmen des CEF-Programms zu finanzieren, enthält unter anderem ein gemeinsames Projekt von den drei baltischen Staaten Rail Baltic. Allerdings empfiehlt die Europäische Kommission Estland, Lettland und Litauen, den Gesamtbetrag von 375.6 Mio auf weniger als 130 Mio Euro, und die EU-Hilfsfonds bzw. von 313.3 auf 110.5 Mio zu reduzieren.
Ein weiteres wichtiges baltisches Projekt, dessen Umsetzung nun ernsthafte Probleme verursachen könnte – Synchronisierung der Stromsysteme der baltischen Staaten mit dem europäischen Stromnetz im Rahmen des BEMIP. Neben der Finanzierung, die auch offensichtlich ohne EU-Fonds nicht über die Runden kommen kann, wirft auch Wirtschaftlichkeit des Projekts im Allgemeinen Fragen auf. In Anbetracht der Tatsache, dass die Länder wohl mit den vorhandenen Verbindungen mit den östlichen Nachbarn zurechtkommen sowie von dem im Bau befindlichen Atomkraftwerk in der russischen Exklave Kaliningrad profitieren könnten, gibt die Frage einer verantwortungsvollen Haltung der baltischen Staaten gegenüber europäische Mittel Anlass zu ernsthaften Bedenken.
Als der ehemalige Bürgermeister von Vilnius Arturas Zuokas sagte vor kurzem, Litauen könnte tatsächlich den Bau und Betrieb des AKW Kaliningrad im Kaliningrader Gebiet kontrollieren und außerdem würde der litauische Haushalt einen langfristigen wirtschaftlichen Vorteil bekommen. Allerdings zieht Litauen offensichtlich vor, auf EU-Gelder angewiesen zu sein, und das heißt in erster Linie die Gelder der deutschen Steuerzahler.

Was wird nach 2020 passieren?
Der EU-Haushalt ist für einen Zeitraum von sieben Jahren angenommen – der aktuelle Haushaltszyklus endet im Jahr 2020. Großbritannien beabsichtigt, endgültig aus der Union im März 2019 auszusteigen, und das bedeutet, dass Brüssel sich in den verbleibenden eineinhalb Jahren entscheiden muss, wie seit Anfang 2019 bis Ende 2020 zu leben ist .
Die aktuelle Situation lässt hoffen, dass die Erschütterung, die von der Brexit-Entscheidung Großbritanniens erregt wurde, zu einer verantwortungsvolleren und nachdenklicheren Budgetverteilung führen wird. Davon sollen alle schließlich profitieren – sowohl die „Nettobeitragszahler“ und die „Nettoverbraucher“, die lernen sollen, kostengünstige Entscheidungen selbständig zu treffen, unabhängig von EU-Subventionen. Und deutsche Steuerzahler könnten erleichtert aufatmen.

Autor:

Dagmar Vogt aus Haibach

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