Lernen fürs Leben
Schulfirmen bereiten junge Menschen auf den Berufsalltag vor
Schülerfirma Namaste Nepal sAG der Abt-Bessel-Realschule Buchen leistet wichtigen Beitrag zur Bildung in Nepal
An junge Menschen werden beim Einstieg ins Arbeitsleben viele Anforderungen gestellt. Vieles ist neu und unbekannt, wenn eine Ausbildung begonnen wird. Um die Jugendlichen bestmöglich auf diesen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten, gibt es in einigen Schulen mittlerweile so genannte Schülerfirmen.
Wie eine echte Firma
Eine Schülerfirma entspricht in der Regel einer echten Firma. Die Schülerinnen und Schüler erhalten durch ihre Teilnahme an der Schülerfirma – meist im Rahmen einer freiwilligen AG – erste Einblicke in wirtschaftlich planerisches Handeln, wie dies in einem realen Unternehmen tagtäglich der Fall ist.
Einblick in wirtschaftlich planerisches Handeln
Ideen sammeln, Verhandlungen mit Banken oder Steuerberatern führen, Werbemaßnahmen planen und durchführen, Marktforschung betreiben, den Einkauf tätigen, Waren produzieren oder Dienstleistungen anbieten, Preise kalkulieren, Finanzierungspläne erstellen, Investitionen diskutieren, Vorträge halten oder die Buchführung erledigen – all das wird bei einer Schülerfirma ebenso wie im echten Unternehmerleben erledigt. Mit einer Teilnahme an einer Schülerfirma können die jungen Menschen ein vertieftes Verständnis für marktwirtschaftliches Denken und Handeln entwickeln. Sie werden dadurch optimal befähigt, um auf die vielfältigen Erfordernisse im Arbeitsleben reagieren zu können.
Vermittlung von „Soft Skills“ für den Arbeitsalltag
Daneben werden in den Schülerfirmen auch viele „Soft skills“ vermittelt, die zu einem gelingenden Arbeitsalltag beitragen. Dazu zählen beispielsweise Teamarbeit, Eigenverantwortung und Eigeninitiative, Kreativität, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit, das Gefühl, ernst genommen zu werden, Arbeitsorganisation oder Motivation, um nur einige zu nennen.
Namaste Nepal sAG
An der Abt-Bessel-Realschule in Buchen gibt es seit 2015 die Schülerfirma Namaste Nepal sAG, die aus einer Unterrichtssituation heraus entstand. Diese wird fachlich betreut und beratend begleitet von Daniel Schäfer, der als Lehrer an der Schule unterrichtet. „Mit unserer Schülerfirma möchten wir die Bildung in der Region Gati in Nepal fördern“, erklären Lina Bischof und Linda Flores, die beiden Geschäftsführerinnen der Namaste Nepal sAG, den Firmenzweck. „Das machen wir, indem wir Geld erwirtschaften. Mit diesem Geld wiederum werden Bergschulen in Nepal, die durch das verheerende Erdbeben 2015 zerstört wurden, erdbebensicher wieder aufgebaut. Wir kümmern uns hierbei insbesondere um unsere Partnerschule, die Grundschule in Sotang. Wir schulen dort mit dem Geld die Lehrkräfte, zahlen deren Gehälter und sorgen nachhaltig für die Schule. Unsere Partnerschule wurde dafür als beste Bergschule Nepals ausgezeichnet. Das spornt uns natürlich an, weiterhin mit der Schülerfirma aktiv zu sein.“
Geld erwirtschaften, um Bergschulen in Nepal zu unterstützen
Das Geld für den Zweck der Schülerfirma kommt auf zweierlei Art und Weise zusammen: Zum einen, indem die Buchener Kinder nepalesischen Kaffee verkaufen. Zum anderen sammeln sie Spenden, beispielsweise über einen jährlichen Spendenlauf, den sie auch selbst organisieren.
Ein Team von derzeit rund 40 Schülerinnen und Schülern übernimmt in der Schülerfirma den wirtschaftlichen Gesamtbetrieb mit Logistik und Verkauf des Kaffees. „Wir kaufen den Kaffee direkt bei den Bergbauern in Nepal ein“, berichten Linda und Lina weiter. „Die grünen Bohnen werden dann von uns zwischenlagert, bevor wir sie in der Kaffeerösterei Mika in Miltenberg speziell für unsere Schule rösten lassen.“ Dann beginnt die eigentliche Arbeit für die Jugendlichen, bei der alle Mitglieder der Schülerfirma kräftig Hand anlegen. „Wir wiegen den Kaffee, mahlen etwa ein Drittel davon, verpacken den Kaffee und schweißen ihn aromadicht ein. Auch die Preiskalkulation übernehmen wir selbst. Anschließend wird der Kaffee in unserem Schülerladen in der Aula, der immer dienstags in der großen Pause geöffnet ist, verkauft.“ Weitere Verkaufsstellen des nepalesischen Kaffees sind die Buchener Metzgerei Herkert, die Bäckerei Schlär in Mudau, der Käfermaier Laden in Limbach, der Knapps Laden, das Schulsekretariat der Schule sowie die Mitglieder der Schülerfirma und ihr Lehrer Daniel Schäfer.
Doch nicht nur Kaffee wird im Nepal-Laden der Abt-Bessel-Realschule verkauft. „Wir bieten auch andere nepalesische Produkte an, zum Beispiel Räucherstäbchen oder Klangschalen“, ergänzen Lina und Linda. „Und aus den Kaffeesäcken stellen wir Brotkörbchen her – natürlich selbst gemacht bei einem Nähtag in der Schule.“
Spendenlauf, um Spendengelder zu sammeln
Weitere Gelder, die zu einhundert Prozent dem Firmenzweck zufließen, erwirtschaftet die Buchener Schülerfirma mit einem jährlichen Spendenlauf. „Dieser musste Corona-bedingt in den letzten beiden Jahren ausfallen, doch in diesem Jahr konnte er wieder stattfinden“, so Linda und Lina. „Die Organisation des Laufes liegt ebenfalls in unseren Händen und ist mit viel Arbeit verbunden. Wir planen in Abstimmung mit der Stadtverwaltung die Strecke, organisieren Essens- und Informationsstände und kümmern uns um das Laufbüro.“ Unterstützung bei letzterem bekamen die Buchener in diesem Jahr durch die Robert-Koch-Schule in Clausthal-Zellerfeld in Niedersachsen. „Die Schule hat eine App entwickelt, mit der wir gelaufenen Runden sehr gut ermitteln konnten.“
Beeindruckende Bilanz der Namaste Nepal sAG
Beeindruckend ist die Bilanz, die die Namaste Nepal sAG seit ihrem Beginn verzeichnen konnte. Waren es anfangs gerade einmal 4 Kilogramm Kaffee, die pro Stunde von den Kindern verarbeitet wurden, so sind es inzwischen gut 30 Kilo. Das ergibt etwa 700 Kilo Kaffee pro Jahr. „Die Schülerinnen und Schüler haben dazu eine richtige Manufaktur aufgebaut“, sagt Daniel Schäfer, der sich als Lehrer zurücknimmt und die Entscheidungen den Kindern überlässt. „So lernen sie, dass ihr Handeln auch Konsequenzen hat. Das kann mal schiefgehen, aber sehr oft werden auch gute und richtungsweisende Entscheidungen getroffen.“
Mit ihrem Engagement haben die Buchener Kinder schon viel bewirkt. Insgesamt 50.000 Euro sind beispielsweise im Jahr 2019 in der Schülerfirma zusammengekommen – viel Geld, mit dem viel erreicht werden kann. „Der Aufbau einer Schule in Nepal kostet etwa 25.000 Euro“, erzählt Daniel Schäfer. „Hinzu kommen etwa 9.000 Euro an jährlichen Unterhaltskosten. Wenn man bedenkt, dass wir in diesem Jahr voraussichtlich 30.000 bis 35.000 erwirtschaften werden, kann man sich ausrechnen, was mit dem Geld gemacht werden kann.“ Die Buchener möchten jetzt ein zweites nepalesisches Dorf unterstützen und dort tätig werden. Tatkräftige Hilfe bekommen sie dabei künftig von der Juniorenfirma der Frankenlandschule in Walldürn, die als zusätzlicher Verkaufspartner und mit Spenden das Vertriebsnetz unterstützen.
„Vor unserem Engagement in Nepal waren 90 Prozent der Kinder in den Bergdörfern Analphabeten. Heute können alle lesen und schreiben“, resümiert Daniel Schäfer. „Das ist eine großartige Erfolgsbilanz, die wir gerne fortschreiben möchten. Dazu sind alle Schülerinnen und Schüler der Namaste Nepal sAG mit viel Herzblut dabei und setzen sich für die gute Sache ein.“
Wenn Sie die Schülerfirma der Abt-Bessel-Realschule Buchen bei ihrer Arbeit unterstützen möchten, hier das Spendenkonto:
Namaste Nepal Buchen
Volksbank Franken
IBAN DE91 6746 1424 0012 3657 05
Kontakt:
Abt-Bessel Realschule Buchen
Namaste Nepal sAG Buchen
Dr. Fritz Schmitt Ring 1
74722 Buchen
Tel. 06281-1260
Blog: www.Facebook.de/nepalag
Web: www.NepalBuchen.de
Instagram: www.instagram.de/namastenepalsag
Hintergrund:
Die Namaste Nepal sAG Buchen gehört dem Namaste Nepal Schülernetzwerk an, das von Schülern eines Gymnasiums in Freiberg (Sachsen) im Oktober 2005 gegründet wurde. Dieses Netzwerk besteht inzwischen aus vier Schulen. Dazu zählen das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Freiberg (Sachsen), die Robert-Koch-Schule in Clausthal-Zellerfeld (Niedersachsen), das Heinrich-Heine-Gymnasium in Dortmund und die Abt-Bessel-Realschule in Buchen (Baden-Württemberg). Das Netzwerk betreut insgesamt sieben Dörfer mit sieben Grundschulen, einer weiterführenden Schule und verschiedenen Kindergärten.
Die Abt-Bessel-Realschule besucht ihre Partnerschule in Sotang regelmäßig, um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. Die Schülerinnen und Schüler nehmen die Ideen und Wünsche der nepalesischen Dorfbevölkerung auf und ergänzen mit ihrem Knowhow. Die Reisen werden selbstverständlich aus eigener Tasche finanziert.
Inzwischen wurde an der Buchener Schule ein Verein gegründet, dem momentan rund 50 Mitglieder angehören.
Autor:Andrea Kaller-Fichtmüller aus Miltenberg |
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