Demenztheater in Buchen-Hettingen
Über das Vergessen - Zuschauer auf persönliche Reise der Demenz mitgenommen

Hettingen. In Deutschland gibt es rund 1,8 Mio Menschen, die an Demenz erkrankt sind. Tendenz steigend. Erfreulich viele, die sich für dieses wichtige Thema interessieren, haben am Donnerstagabend das Improtheater Stuttgart gesehen, das auf Einladung des Arbeitskreis Gerontopsychiatrie & SAPV NOK e.V. und der Buchener Arbeitsgruppe „Demenz“ im Hettinger Lindensaal gespielt hat. Das Stück, in dem die sieben Stufen einer Demenz dargestellt wurden, war sehr authentisch, vor allem von der Hauptdarstellerin überaus glaubhaft gespielt und es war vor allem eins: sehr berührend.

Die verwitwete Klara ist 60 Jahre alt, Mutter zweier erwachsener Töchter und eine erfolgreiche Uni-Professorin. Eine echte Powerfrau. In Phase eins der Erkrankung – von der sie noch nichts weiß - nutzt sie ihr Handy gelegentlich, um wichtige Notizen aufzusprechen. Damit sie nichts vergisst. Wie so viele andere auch.
Doch die Demenz nimmt Fahrt auf. Die nächste Szene spielt zwei Jahre später, Klara befindet sich in der zweiten von insgesamt sieben Stufen, in die die Krankheit unterteilt wird. Bald braucht Klara neben dem Handy überall Haftzettel, um sich zu erinnern und zurecht zu kommen. Noch versucht sie, die Demenz vor den Töchtern geheim zu halten. Ihrem nachts spiegelbildlich auftretenden alter ego, ihrem „zweiten ich“, gesteht sie allerdings, dass ihr die Vergesslichkeit Angst macht. Eine Vergesslichkeit, die bewirkt, dass sie sich die Haare mit Spülmittel wäscht oder mit der neu gekauften Opernkarte in den Zoo gehen will. Die Töchter erkennen die Situation, sind erschrocken, wollen unterstützen, wollen helfen - was in Stufe vier Aggressionen bei der unruhigen Mutter hervorruft. Sie will selbstständig bleiben. Auch Uneinigkeit unter der Tochter, die sich vor Ort kümmert, und ihrer weit entfernt wohnenden Schwester über die ungleiche Belastung und den „richtigen“ Umgang mit der Demenz wird nicht ausgespart. Bald ist der Umzug ins Heim unumgänglich, wo sich die osteuropäische Pflegekraft fürsorglich, aber mit viel zu wenig Zeit um die Patienten kümmert. Und die irrwitzige Situation am Ende doch auch selbst nur mit Tabletten aushält.
Humorvoll werden Klischees bedient, die doch so viel Wahres enthalten.
Das Lachen blieb freilich im Hals stecken angesichts der krassen Wandlung einer erfolgreichen Powerfrau hin zu einer stummen, verwirrten kleinen Frau im weißen Nachthemd, deren einst so wacher Geist nur noch sehr selten bei einem alten Kinderreim aufblitzt. Betroffenheit und Beklemmung machten sich auch deshalb vor allem beim überwiegend „mittelalten“ Publikum breit, weil eine Demenzerkrankung weder

mit den „richtigen“ Genen noch mit Sport, einer gesunden Ernährung oder Gehirnjogging
verhindert werden kann. Diese und weitere wichtige Fakten streute die Hauptdarstellerin während der einzelnen Szenen mittels eines kleinen Quiz ein. Ihre Botschaft: Verhindern funktioniert nicht – der Umgang damit und die Information über die Krankheit sind wichtig. Denn auch wenn die Mutter die Tochter irgendwann nicht mehr erkennt: Das Herz – so ein Zitat - hat keine Demenz.

Eine Botschaft, für die sich auch der Arbeitskreis Gerontopsychiatrie & SAPV NOK e.V. seit der Vereinsgründung 2007 unermüdlich einsetzt. Der Vorsitzende Gerhard Weidner begrüßte zu Beginn auch im Namen der Buchener Arbeitsgruppe Demenz die vielen Zuschauer im Lindensaal. Nach der kürzlich beendeten Cartoonausstellung in der Volksbank Franken in Buchen ist mit dieser Theateraufführung zweifellos eine weitere wichtige Sensibilisierung gelungen. Denn Demenz wird unter anderem aufgrund der steigenden Lebenserwartung immer mehr Menschen betreffen - als Erkrankte oder als Angehörige.

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