EAN Infoveranstaltung für Planer und Architekten:
Energetische Sanierung und Neubau von Schulen u. Kitas
mh. Mosbach. Dass die Luftqualität in Schul-, Kita- und Versammlungsräumen eine entscheidende Rolle spielt, ist nicht erst seit der Corona-Pandemie bekannt. Nur dadurch wurde es mehr als deutlich, was es heißt, im Winter bei Minus- oder im Sommer bei Tropentemperaturen alle 20 Minuten die Fester „aufzureißen“. Die Energieagentur Neckar-Odenwald (EAN) hatte vor diesem Hintergrund neben Architekten, Planer und Bauingenieuren auch kommunale Vertreter zu einer Infoveranstaltung am 23.05.2022 in die Alte Mälzerei nach Mosbach eingeladen. Landrat Dr. Achim Brötel freute sich bei seiner Begrüßung über die gute Beteiligung. Sein Dank galt der Akademie der Ingenieure und der EnerSearch GmbH als Kooperationspartner und den Referenten.
Schlechte Luft in Klassenzimmern heißt schlechte Leistungsfähigkeit der Schüler
Organisator Uwe Ristl führte kurz in das Thema ein, immer mehr Schul- und Kitagebäude wiesen Modernisierungsrückstände auf. Prof. Dr. Albrecht Rittmann, Ministerialdirektor a. D., machte den Start: Eine hohe CO2-Konzentration wirke sich sehr nachteilig auf die Leistungsfähigkeit der Schüler aus. Messungen belegen, dass auch häufiges Lüften nicht ausreichend sei. Vor diesem Hintergrund besagen neue Normen, dass Räume ab 200 qm mit einer Lüftung ausgestattet werden müssten, transportable Raumlüfter könnten zwar die Keimlast verringern, nicht jedoch die CO2-Konzentration. Ein weiterer Punkt sei die durch Personen ansteigende Luftfeuchtigkeit – auch hier wären Lüftungsanlagen das Mittel der Wahl. „Lüftung heißt nicht gleichzeitig auch Kühlung“, so Dr. Rittmann. Bei den immer heißeren Sommern müssten auch hier passende Lösungen gefunden werden. Klimaanlagen sah er aufgrund des hohen Energiebedarfes eher kritisch. Mit kaltem Wasser durchspülte Kühldecken könnten eine Möglichkeit sein. Die Anforderungen an eine Lüftung seien somit in Bezug auf Zugluft- und Keimfreiheit, Temperatur, Geräuschentwicklung und Betriebskosten sehr hoch und somit komplex. Ein absolutes „Muss“ sei die raumspezifische Regelungsmöglichkeit von Lüftungsanlagen für jedes einzelne Zimmer, neben den Geräte- und Installationskosten müssten Planer vor allem auch die Betriebs- und Wartungskosten im Auge behalten.
"Architektur muss funktionieren"
Prof. Dr.-Ing. Alexander Beck aus Schwäbisch-Hall brach in seinem Vortrag eine Lanze für eine „ökologische, ökonomische und sozialkulturell funktionierende“ Architektur. Eine solche hohe Qualität setze einen aufwändigen technischen Prozess voraus, bei dem man immer wieder mit den Auftraggebern in die Diskussion gehen müsse. Im Rahmen des Spannungsfeldes „Zeit, Kosten und Qualität“ müsse immer wieder neu austariert werden. Ausführlich ging er auf das Thema „volumengleicher Neubau“ im Vergleich zu Kern- oder Teilsanierungen ein. Beim Neubau an gleicher Stelle dürfe man nie vergessen, dass noch Interimslösungen für die Unterbringung der Schüler während der Bauzeit und die Abrisskosten hinzukämen. Beim Neubau an anderer Stelle brauche man ein neues Grundstück, eventuelle Erlöse für die alte Liegenschaft könnte diese Kosten jedoch relativieren. Positiv bei Sanierungen schlage sich, so Beck, der Werterhalt nieder. Genauso sei die pädagogische Raumfunktion der neu entstehenden „Lernlandschaft“ zu berücksichtigen – hier gab er mit auf den Weg, dass diese Fragen „gemeinsam mit der Lehrerschaft“ zu klären seien.
Einzellüfter vs. große Lüftungsgeräte
Dipl.-Ing. und Architekt Hans-Jürgen Schneble aus Heidelberg stellte einige Beispiele von erfolgten Schulsanierungen und dem Forschungsprojekt „dezentrale, fassadenintegrierte Lüftungsanlagen für energetisch sanierte Gebäude“ vor. Immer heißere Sommer und „schlechte Luft“ in den Klassenzimmern sei ein großes Problem. Er erläuterte, dass bei sanierten Gebäuden die Luft regelrecht „eingesperrt“ würde. Nachts mit kühler Luft lüften sei hier eine Lösung - dies gehe aber nur mit Lüftungsanlagen. Nachträglich eingebaute Lüftungsgeräte seien oftmals sehr groß, es gäbe Probleme mit Zugluft und den Betriebsgeräuschen. Er habe mit mehreren Einzellüftern, ausgestattet mit Solarkollektoren, gute Erfahrungen gemacht. Der Einbau dieser kleinen Geräte könne beispielsweise an den senkrechten Fensterrahmen erfolgen. Integrierte Wärmetauscher hielten im Winter die Wärme „drinnen und im Sommer draussen“. Selbst bei denkmalgeschützten oder bereits energetisch sanierten Gebäuden sei deren Einbau nachträglich möglich. Messungen mit ertüchtigten Räumen hätten ergeben, dass diese Lösung sowohl in Bezug auf die Temperaturen als auch der CO2-Konzentration und den Betriebskosten gut und nachahmenswert sei. In seinem vorgestellten Projekt (ca. 4 Einzellüfter pro Raum) waren die Umbaukosten pro Klassenzimmer (hochgerechnet auf heute) ca. 19.000 €, für Betrieb und Wartung kämen noch rund 65 € pro Zimmer und Jahr hinzu.
Sommernachtkühlung wirtschaftlicher als Klimaanlage
Hersteller solcher Einzellüfter ist beispielsweise die EnerSearch Solar GmbH, Mitarbeiter Dipl.-Physiker Marco Wagner konnte in seinem Vortrag zahlreiche technische Hintergründe vermitteln. Einzellüfter, so Wagner, hätten folgende Vorteile: Ein geringerer Stromverbrauch als ein einzelner Großlüfter, keine Zugluft, kaum Geräuschentwicklung und eine gute nachträgliche Montier- und Einbaubarkeit. Für die Temperaturregelung sei es wichtig, auf eine entsprechende Abschattung mit intelligenter Zeitsteuerung an den Fenstern zu achten. „Ab neun Uhr sollte im Sommer kein Fenster mehr geöffnet werden“, so Wagner. Die Lüfter sorgten über Nacht dafür, dass die kältere Luft das Gebäude abkühlen könne (Sommernachtkühlung). Tagsüber werde zwar Frischluft (wichtig für den CO2-Gehalt und die ideale Luftfeuchtigkeit) angesaugt, die Wärme bleibe aber aufgrund der eingebauten Wärmetauscher draußen. Dieser Effekt sei im Winter natürlich genau umgekehrt, die einströmende kalte Luft werde durch die Innenluft erwärmt. Abschließend erläuterte Organisator Uwe Ristl die verschiedenen Fördermöglichkeiten und bedankte sich bei den Referenten für die fundierten Vorträge.
Autor:Martin Hahn, AWN Buchen aus Buchen |
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